Wie bereits zur Schulausschusssitzung ausgeführt (s. Artikel "Entscheidung über Schulstruktur...") hat nun auch der Rat der Stadt ohne die von der SPD geforderte Bedarfserhebung bei den Eltern die Zusammenfassung der Haupt- und Realschule Burgwedel zur Oberschule ohne gymnasiales Angebot beschlossen. Die Stellungnahme des SPD-Ratsherrn Lothar Urban aus der Ratssitzung am 11.04.2011:

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Begründung Oberschule


Wir stehen heute vor einer sehr wichtigen Entscheidung für die Schullandschaft in Burgwedel und damit für die Entwicklung unserer Kinder. Deshalb möchte ich etwas weiter ausholen und bitte Sie um Geduld.


Die Geschichte zeigt: die Menschheit lernt durch Einsicht, das ist eher selten, oder durch Katastrophen, das ist leider die Regel. Lernen heißt ja auch, dass die Zukunft verändert wird – und das erzeugt Ängste bei den bisher Privilegierten.


Ein klassischer Fall aus der allerjüngsten Vergangenheit ist der Ausstieg aus der Atomenergie. Die Katastrophe von Tschernobyl hat viele wachgerüttelt. Aber 25 Jahre hatten wohl gereicht, um den Ernst der Lage zumindest bei einigen zurückzudrängen. Erst die erneute tragische Katastrophe in Japan hat zu einem Umdenken geführt.
Der PISA-Schock vor einigen Jahren hat zwar auch die an der Ausbildung Interessierten wachgerüttelt, aber für die Privilegierten gilt auch hier ein „weiter so“. Wir leben ja ganz gut mit dem System, sagen zumindest Philologen. Philologen sind ja nach der Bedeutung des Wortes Freunde des Wortes bzw. des Geistes, der Vernunft.


Wir wissen auch, dass unser Land hauptsächlich nur einen Rohstoff hat: die Köpfe, das Wissen unserer Bürgerinnen und Bürger. Seit der Aufklärung hat sich dieser Rohstoff segensreich für unser Land ausgewirkt. Wir sollten also alles tun, um diesen Rohstoff zu hegen und zu pflegen. Sowohl internationale Vergleiche als auch die Meinungen nahezu aller Wissenschaftler zeigen, dass dazu ein möglichst langes gemeinsames Lernen gehört. Prof. Tillmann führt aus, das deutsche Schulsystem ist Weltmeister in der sozialen Auslese, und es Spitzenreiter in der Produktion von Schulscheitern. Das sollten wir bei einer neuen Schulstruktur für Burgwedel versuchen, zu ändern.


Nun haben wir mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass auch hier in unserem liebenswerten und beschaulichen Burgwedel Schulformen zusammengeführt werden sollen, mit einem Bestandsschutz für das Gymnasium. Das ist auch gut so, weil es ohne Zweifel eine gute Leistung bietet. Doch nun mein Kritikpunkt an der Mehrheitsmeinung in diesem Rat.


Es ist von vornherein klar gewesen, dass vor allem die Kosten für die abwandernden Schüler den Bürgermeister zu einer Korrektur des bisherigen Schulsystems bewogen haben. Nun muss man aber auch konsequent sein, wenn man dem entgegen treten will. Es muss doch eine Lösung gefunden werden, die es den Eltern leicht macht, ihren Kindern in Burgwedel eine gute Ausbildung zukommen zu lassen, sie nicht zu Auswanderern zu machen. Und das geht nun einmal nur dann, wenn ein System angeboten wird, das nach der Grundschule viele Möglichkeiten offen lässt. Das ist nach meiner Meinung ganz klar die Oberschule mit gymnasialem Angebot.
Die Betonung liegt auf Angebot. Es ist nämlich durchaus möglich, unsere Kinder, auch die, die das gymnasiale Angebot wahrnehmen, zum großen Teil lange gemeinsam zu unterrichten. Es muss keine eigene Klasse für die Gymnasialkinder geben und somit auch kein zweites Gymnasium in Burgwedel. Nach der 10. Klasse muss jeder, der das Abitur machen will, ohnehin auf ein Gymnasium seiner Wahl übergehen.


Diese Meinung vertreten auch alle Schulleiterinnen der Stadt. Bis auf das Gymnasium. Das ist auch verständlich, wenn man die Urängste berücksichtigt, die Veränderungen in den Köpfen derer auslösen, die sich persönlich in der alten Form gut eingerichtet haben. Ich kann also verstehen, dass einige einer konsequenten Veränderung ängstlich gegenüberstehen. Aber ist das auch gut für unser Gemeinwesen? Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber! Darum wohl auch die eher einseitige Informationspolitik und die unverständliche Weigerung der Mehrheitsparteien im Schulausschuss, alle Grundschuleltern umfassend zu informieren und dann zu befragen, welche Oberschule sie für ihre Kinder wollen. Es ist mir auch völlig unverständlich, dass hier der gesammelte Sachverstand in unseren Schulen so einfach ignoriert wird.


Meine Damen und Herren, Stuttgart 21 hat uns allen doch wohl gezeigt, dass die Zeiten endgültig vorbei sind, an der Bevölkerung vorbei zu entscheiden. Ich kann deshalb überhaupt nicht verstehen, die von der SPD beantragte Befragung abzulehnen. Sie hätte uns allen ein klares Bild gegeben. Möglicherweise hätte unsere Auffassung auch gar keine Mehrheit gefunden. Aber das hätten wir dann auch akzeptiert und uns der Mehrheitsentscheidung gebeugt. Leider haben Sie, die schwarzgelbe Mehrheit, dazu nicht den Mut gehabt.


Schade, so muss ich gegen die von Ihnen preferierte Lösung stimmen. Ich spreche hier in der Einzahl, weil es für uns selbstverständlich ist, die eigene Meinung zu vertreten und sie nicht der Parteiraison zu unterwerfen. Eine eigene Meinung zu vertreten, ist für uns kein Zeichen der Schwäche oder Zerrissenheit, sondern ein Zeichen der der Freiheit eines Christenmenschen.


Zum Schluss noch eine Bemerkung aus dem „Evangelischen Plädoyer für mehr Bildungsgerechtigkeit“ vom November 2010:


Martin Luther hat in seinem Aufruf „An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, dass sie christliche Schulen aufrichten und erhalten sollen“ geschrieben:


Darum wills hier dem Rat und der Obrigkeit gebühren, die allergrößte Sorge und Fleiß aufs junge Volk zu haben. … Nun liegt einer Stadt Gedeihen nicht allein darin, dass man große Schätze sammelt; … sondern das ist einer Stadt bestes und allerreichstes Gedeihen, Heil und Kraft, dass sie viel feine gelehrte, ehrbare, wohlerzogene Bürger hat, die könnten danach gut Schätze sammeln, halten und recht brauchen. … Hiermit befehle ich euch alle in Gottes Gbade, der wolle eure Herzen erweichen und anzünden, dass sie sich der … Jugend mit Ernst annehmen und ihnen durch göttliche Hilfe raten und helfen zu seligem und christlichen Regiment deutschen Landes.