Die SPD Burgwedel hatte Dr. Jessica Löser vom Institut für Sonderpädagogik in Hannover, Margot Trott, Schulleiterin a. D. Förderschule und Marco Brunotte, den örtlichen Landtagsabgeordneten für Burgwedel, Isernhagen und Langenhagen zur Diskussion über die inklusive Beschulung aller Kinder und Jugendlichen ab Sommer 2013 eingeladen.

Moderiert wurde die Veranstaltung vom Vorsitzenden der SPD Burgwedel, Jochen Rödiger.
Jessica Löser ging kurz auf die UN-Konvention von 2009 ein und stellte fest, dass Niedersachsen das letzte Bundesland ist, das die Konvention 2013 umsetzen wird.
Sie wies auf den entscheidenden Paradigmenwechsel hin: Schulen müssen sich nun den Kindern anpassen, nicht umgekehrt.
Niedersachsen ist bezüglich der Integration von Behinderten Schlusslicht in Deutschland, zur Zeit werden 7,2% integrativ unterrichtet; Schleswig-Holstein erreicht schon 47%.
Für die Umsetzung wird entscheiden sein, welche Ausstattung mit Förderstunden die Schulen erhalten.

Frau Löser grenzte kurz Integration von Inklusion ab. Die Inklusion geht von einem Recht auf Teilhabe aller Menschen aus. Sie sind nicht mehr Bittsteller, die integriert werden wollen, sie haben ein Recht, in unserer Mitte zu leben und zu arbeiten. Um das zu verwirklichen, bedarf es eines gesellschaftlichen Wandels, der in den Köpfen aller vonstatten gehen muss.

Margot Trott ging auf die Geschichte der Förderschulen in Niedersachsen und in den Umlandkommunen ein. Sie verwies auf den ihrer Meinung nach entscheidenden Punkt, bisher boten die Förderschulen einen geschützten Raum für Kinder mit Behinderungen. Das muss die inklusiv arbeitende Schule erhalten. Für sie ist klar, dass Kommunen in Zukunft kooperieren müssen, wollen sie die Förderangebote aufrecht erhalten.

Marco Brunotte wies in seinen Ausführungen daraufhin, dass die UN-Konvention nicht nur Kinder, sondern auch ältere Menschen meint. Kommunen haben Sorge zu trage, dass die sachliche Ausstattung stimmt (Barrierefreiheit, Lernmittel usw.), das Land ist für die Bereitstellung ausreichender Lehrerstunden zuständig.
Eine SPD in Regierungsverantwortung wird die „demographische Rendite“ nicht kassieren, sie soll in den Schulen verbleiben.
Inklusion ist die Fortsetzung der schon lang andauernden Integrationsdebatte. Politik muss sich im Bildungssektor gegen eine Trennung der verschiedenen Begabungsprofile aussprechen. Ziel muss eine bunte Gesellschaft sein.

Wie sehr die Veränderungen noch in den Kinderschuhen stecken, wurde auch beim Bericht von Marco Brunotte aus der Inklusionsdebatte auf Landesebene deutlich. Viele gute Entwürfe für eine Umsetzung verschwanden mit der Umsetzung der Einführung der Oberschulen erst einmal wieder in den Schubladen des Kultusministeriums. Den umfassenden Wandel unseres Bildes von Schule und damit verbunden die selbstverständliche Umsetzung von Inklusion im Alltag wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, so Marco Brunotte. Während in Norwegen, Kanada oder Schweden Inklusion schon Alltagserfahrung der Menschen ist, kämpfen wir immer noch mit den Folgen des dreigliedrigen Schulsystems, mit der Umsetzung barrierefreier Schulen, Wohnungen, des öffentlichen Nahverkehrs oder der behindertengerechten Gestaltung von Arbeitsplätzen.
„Wir haben 2010 versucht endlich eine Gesetzesgrundlage für eine inklusive Beschulung in Niedersachsen zu erwirken, sind bei der schwarz/gelben Landesregierung aber auf verschlossene Türen gestoßen. Erst nach vielem hin und her ist 2010 dieser Minimalkonsens verabschiedet worden. Unsere Fraktion hat heftig diskutiert, ob wir bei diesem Gesetz wirklich zustimmen sollten. Wir haben uns dafür entschieden, um endlich einen Anfang zu haben. Ich möchte aber betonen, dass dies ausdrücklich nur ein allererster Schritt ist“, so Marco Brunotte.

Nach einer Dreiviertelstunde hatten die ca. 25 Zuhörer Gelegenheit, ihre Fragen und Anregungen einzubringen.
In den Beiträgen wurde verwiesen auf die wenige Zeit, die noch zur Verfügung steht, um das anspruchsvolle Ziel zu erreichen. Befürchtungen bezüglich möglicher Klassengrößen wurden genannt, so dass die inklusive Schule zu Einsparungen von Lehrerstunden führen könnte.
Die Förderschulen werden sich zum Teil selbst abschaffen müssen, Kompetenzen könnten verloren gehen.
Eine verpflichtende Ganztagsschule sei zwingend für die Umsetzung.
Ein Vater nannte sein Befürchtungen, was passieren würde, wenn ein verhaltensgestörtes Kind eine „Klasse aufmischt“. Ihm könnte nur gesagt werden, dass dann die Beratung durch Förderlehrer greifen müsste.
Eine weitere Frage bezog sich auf den Unterricht. Werden Kinder, die ständig Misserfolgserlebnisse haben, nicht enttäuscht und in ihrer Entwicklung beschädigt?

Marco Brunotte verwies auf einen Misstand; das Land ist zur Zeit nicht der Taktgeber der Entwicklung. Die Kommunen werden allein gelassen, denn sie müssen 2013 die Inklusion in der ersten Klassen der Grundschulen realisieren, ohne dass es zur Zeit Erlasse dazu gibt. Gleiches gilt für die Schulen, die ohne Erlasse planen.
Anschaulich beschrieb am Ende eine Mutter eines behinderten Kindes ihre Bemühungen der letzten Jahre, das eigene Kind integrativ in Burgwedel unterrichten zu lassen. Das wurde nicht ermöglich, so dass ihre Tochter heute einen weiten Weg nach Hannover in Kauf nehmen muss.

Die Inklusion, so die Meinung alle, wird ab 2013 die Eltern- und auch die Kinderrechte im guten Sinne stärken.

Jochen Rödiger
23.11.2012

Jochen Rödiger moderiert