BiB: Liebe Rebecca, als erstes eine ganz grundlegende Frage an dich. Wie bist du zur Politik gekommen?

Rebecca Schamber: Das war im Jahre 2010 über das niedersächsische Mentoring-Programm »Frau.Macht.Demokratie.« In der Wedemark habe ich anschließend für den Orts- und Gemeinderat kandidiert und bin dann sehr schnell stellvertretende Gemeindebürgermeisterin und Fraktionsvorsitzende geworden. Seitdem bin ich kommunalpolitisch aktiv. Jetzt allerdings aufgrund meines Wohnortwechsels in Neustadt. Nach dem Ausscheiden meiner Vorgängerin Caren Marks habe ich dann meinen Hut für die Bundestagskandidatur in den Ring geworfen und das hat ja auch gut geklappt. Nach wie vor ist es für mich eine große Ehre, die Menschen aus meinem Wahlkreis in Berlin vertreten zu dürfen.

BiB: Als Abgeordnete müsst ihr alle Themengebiete bearbeiten. Zudem habt ihr aber auch Schwerpunkte. Welche sind deine?

Rebecca Schamber: Als Mitglied des Verteidigungsausschusses arbeite ich schwerpunktmäßig in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Zu Beginn der Legislaturperiode konnte ich und sicherlich niemand ahnen, welche Bedeutung dieses Politikfeld für unser Land haben würde. In den vergangenen drei Jahren hat sich viel verändert. Wir haben eine Nationale Sicherheitsstrategie auf den Weg gebracht, die im sogenannten Operationsplan Deutschland umgesetzt wird. Das bedeutet, dass alle Ebenen von der Kommune über die Region und Land bis zum Bund in ihren Fähigkeiten gestärkt werden, für den Katastrophen- oder Verteidigungsfall gut vorbereitet zu sein. Das erfordert in unserem föderalen Staatssystem einiges an Organisation, Strukturaufbau und Abstimmung. Jeder von uns hat sich gewünscht, dass so etwas nicht mehr erforderlich sein würde. Der Angriffskrieg auf die Ukraine und die leider auch bei uns immer wieder vorkommenden Zwischenfälle durch Cyberattacken oder z.B. Verletzungen des Luftraumes, erfordern, dass wir unser Land an vielen Stellen widerstandsfähiger machen. Ich durfte diesen Prozess von Anfang an begleiten und hoffe natürlich, auch nach dem 23. Februar an dieser Stelle weiterwirken zu können. Zudem bin ich als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der NATO für die guten Beziehungen innerhalb unseres Verteidigungsbündnisses zuständig, das seit dem Angriffskrieg auch eine ganz neue Bedeutung erlangt hat. Ein kontinuierlicher guter Austausch mit unseren Bündnispartnern ist sehr wichtig.

BiB: Welche Themen liegen dir zudem besonders am Herzen?

Rebecca Schamber: Bildung und die Unterstützung von Familien. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf! Als Mutter von zwei Kindern weiß ich, wie wichtig eine gute Kinderbetreuung ist. Frauen übernehmen immer noch den Großteil der Betreuungsarbeit, reduzieren dafür ihre Arbeitszeit und haben später entsprechend geringere Rentenansprüche. Da müssen wir als Staat deutlich besser werden. Für die Eltern, aber auch weil jede Arbeitskraft für unser System wichtig ist. Eltern brauchen eine verlässliche und gute Betreuung für ihre Kinder. Glücklicherweise hat sich schon einiges getan. Dennoch stoßen Kommunen an ihre Grenzen, da es nicht ausreichend Fachkräfte für den Kita-Bereich gibt. Der Bund ist hier nicht originär zuständig, dennoch unterstützen wir die Länder in 2023–2026 mit rund acht Milliarden Euro, um die Kindertagesbetreuung zu verbessern. Hier müssen wir dranbleiben, um Familien noch besser zu entlasten. Außerdem fängt Bildung bei den Kleinsten an. Wenn wir hier gut aufgestellt sind, ist das die beste Investition in unsere Zukunft. Das setzt sich in der Schule fort. Auch hier sind die Länder zuständig, doch mit dem Start-Chancen-Programm unterstützt der Bund gezielt Schulen mit zehn Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. Die Länder geben nochmal die gleiche Summe hinzu. In meinem Wahlkreis profitieren sechzehn Schulen von diesem Programm, darunter auch die IGS Burgwedel. Ich bin auch sehr für ein kostenloses Mittagessen und bin froh, dass wir das in unserem SPD Wahlprogramm aufgenommen haben. Leider ist ein tägliches, warmes Essen nicht für jedes Kind selbstverständlich. Manche haben noch nicht einmal ein Pausenbrot. Mit leerem Magen lässt es sich aber schwer lernen. Darüber hinaus tut gemeinsames Essen allen Kindern gut. Deshalb bin ich sehr dafür.

BiB: Was war dein Highlight in der aktuellen Legislaturperiode?

Rebecca Schamber: Oh, es sind so viele spannende Dinge passiert. Natürlich waren die Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler am 8. Dezember 2021 und die Wahl von Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten etwas sehr Besonderes für mich. Auch der Festakt zu 75 Jahren Grundgesetz war ganz Besonderes. Das fühlte sich fast surreal an und erfüllte mich mit einer Art Ehrfurcht, dass ich das so hautnah miterleben durfte. Besonders ist es natürlich auch, wenn wir nach langer und oft sehr kontroverser parlamentarischer Arbeit ein Gesetz zum Abschluss gebracht haben. Das waren in den letzten drei Jahren nicht wenige und die Bilanz dieser Regierung kann sich wirklich sehen lassen. Auch wenn es durch die vielen öffentlichen Auseinandersetzungen leider oft nicht so aussah, wurde vieles auf den Weg gebracht. Oft ist die öffentliche Wahrnehmung für das Ergebnis nicht so da, weil meist »nur« Teilbereiche des Lebens, bzw. bestimmte Zielgruppen davon profitieren. Ich denke da zum Beispiel daran, dass wir es endlich geschafft haben, dass Pflegekinder, die in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie leben, nicht mehr einen Teil ihres Einkommens aus einer Ausbildung oder einer anderen Tätigkeit, zurück an die Jugendämter zahlen müssen. Ich fand das immer ungerecht. Diese Kinder können nichts dafür, dass sie nicht in ihrer »leiblichen« Familie aufwachsen. Dass sie dann, wenn sie Einkommen erlangen, dem Staat etwas für ihre Unterkunft zurückzahlen mussten, ist doch absurd. Gut, dass wir das beendet haben! Außerdem ist es gelungen, die Renten in Ost und West ein Jahr früher als vorgesehen, nämlich 2023 aufgrund der höheren Lohnsteigerung anzugleichen. Zusätzlich gibt es für Menschen, die wegen Krankheit frühzeitig in den Ruhestand wechseln, einen pauschalen Zuschlag. Aus Frauensicht bin ich sehr froh, dass es uns gelungen ist, den § 219 a StGB zu streichen, der es Ärztinnen und Ärzten verboten hat, über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Wo, wenn nicht dort, können sich Frauen zuverlässig informieren? Gut, dass wir das endlich reformieren konnten. Gemeinsam mit Abgeordneten anderer Fraktionen arbeiten wir gerade daran, den § 218 Strafgesetzbuch zu streichen. Er kriminalisiert Frauen und Ärzte und muss endlich gestrichen werden. Wir wollen, dass Schwangerschaftsabbrüche künftig im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Ein umgesetztes Projekt, das eine wirklich breite Wirkung in der Bevölkerung entfaltet und damit ein echter Erfolg ist, ist das Deutschlandticket. Es fördert die umweltfreundliche Mobilität und schont den Geldbeutel von rund dreizehn Millionen Kundinnen und Kunden. Tendenz steigend. Im Verteidigungsausschuss bin ich unter anderem für den Bereich Klima und Umwelt zuständig. Klingt erstmal nicht unbedingt so, als würde das zusammenpassen. Da die Bundeswehr aber viele Flächen und Gebäude hat, ist da einiges zu tun. Das Besondere ist, dass diese Regierung erstmalig ein Sofortprogramm aufgelegt hat, um Munitionsaltlasten aus der Ost- und Nordsee zu bergen. Denn dort liegen nach der »Verklappung« rund 1,6 Millionen Tonnen konventionelle Munition und 5000 Tonnen chemische Kampfstoffe. Wir haben zum ersten Mal in dieser Legislatur 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um die Munition zunächst zu orten, zu kartieren und im Herbst hat das erste Bergungsprojekt stattgefunden. Es ist ein sehr aufwendiges Vorhaben und ich bin sehr froh, dass ich das als Abgeordnete bisher begleiten durfte. Der Besuch des Helmholtz-Zentrums Geomar in Kiel und eine Ausfahrt mit einem Forschungsschiff waren sehr beeindruckend. Eine wichtige und dringende Aufgabe, die uns in den nächsten Jahren noch beschäftigen muss.

BiB: Was wünscht du dir für die kommende Legislaturperiode?

Rebecca Schamber: Zunächst wünsche ich mir, dass mir die Menschen im Wahlkreis weiterhin ihr Vertrauen schenken und mir am 23. Februar ihre Stimme geben. Ich wünsche mir, dass die guten Fähigkeiten von Olaf Scholz als Kanzler stärker wahrgenommen werden. Sicher muss er dazu noch selbst seinen Beitrag leisten. Ich hätte mir in der Vergangenheit mehr Kommunikation gewünscht. Doch war ich in den letzten drei Jahren, die wirklich geprägt waren von immer neuen Krisen und Hiobsbotschaften, stets froh, dass gerade er mit seiner ruhigen und besonnenen Art unser Kanzler ist. Wir leben derzeit in einer international sehr fragilen Welt. Lautes oder forsches Getöse fühlt sich vielleicht erst mal gut an, kann aber schnell zu noch mehr Problemen führen. Grundsätzlich wünsche ich der SPD am 23. Februar ein gutes Ergebnis, weil ichüberzeugt bin, dass unser Land gerade in diesen Zeiten eine starke SPD braucht. Vieles, was wir in dieser Legislatur auf den Weg gebracht haben, ist gut, bedeutet aber auch Veränderung. In einer Welt, die sich verändert, können wir nicht stehen bleiben oder gar wieder zurück in die Vergangenheit. Eine Veränderung ist erst mal ungewohnt, manches klappt vielleicht nicht sofort oder ist zunächst teurer, wie zum Beispiel der Umstieg auf erneuerbare Energien. Es lohnt sich aber durchzuhalten. Wir müssen den Klimawandel in unserem Interesse und im Interesse nachfolgender Generationen aufhalten. Die Aufgabe der Politik ist es, und das wollen wir als SPD, die Menschen bei diesen Veränderungen mitzunehmen. Dazu gehört auch ein gerechtes Steuersystem. Wenn mehr Netto vom Brutto bleibt. 95 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen wir steuerlich entlasten. Das finde ich wichtig und richtig. Das obere eine Prozent wollen wir stärker in die Verantwortung nehmen, um die wichtigen Zukunftsinvestitionen stemmen zu können. Vor allem wünsche ich mir, dass unsere Gesellschaft zusammenhält und sich nicht von populistischen Kräften spalten lässt. Wir sind ein starkes Land mit starken Menschen. Ich bin sicher, das wird uns gelingen.